Projektname

Internationales Kommunikationszentrum
 

Standort

La Tête Défense, Paris, Frankreich
 

Wettbewerbs-
ablauf

Start der ersten Runde: Juli 1982
Einsendeschluß: 15. März 1983
Bekanntgabe der Ergebnisse: 27. April 1983
Zweite Runde: 28. April bis 25. Mai 1983
 

Zahl der Entwürfe

Erste Runde: 424
Zweite Runde: 4
 

Jury

Robert Lion (Vorsitzender),
Oriol Bohigas, Kisho Kurokawa, Richard Meier, Richard Rogers, Antoine Grumbach, Gerard Thurnauer, Bernard Zehrfuss (alles Architekten),
Mahdi Elmandjra, E. Tierno Galvan, Ada Louise Huxtable, Serge Antoine, Louis Moissonnier,
Francois Lombard (Technischer Berater)
 

Ergebnisse

Erster Platz
Johan Otto von Spreckelsen

Zweiter Platz
Jean-Paul Viguier & Jean-Francois Jodry

Dritter Platz
Jean Nouvel, Pierre Soria, Architecture Studio, Jean-Marc Ibos & Didier Laroque

Vierter Platz
James Carscallen Crang & George Elliot Boake; D.M. Robertson, J. Szabo & D. Vokac

Ehrenvolle Erwähnung
Yves Lion, Bernard Althabegoity & Francois Leclercq: Vittorio Gregotti, Augusto Cagnardi & Pierluigi Cerri; Stanislas Fiszer & Witold Zandfos; Chaix, Confino, Delanne, Duval & Morel; Salomon, Chabert & Maddalena; Studio 7; Georges Pencreach; Roland Castro; Guy Autran & Michel Macary; Bernard Tschumi; Francoise-HeIene Jourda & Gilles Perraudin; A.J. Diamond Associates

Ohne Plazierung
Ton Alberts & Max van Huut, Ricardo Bofill
 

Bauherr

EPAD (L'Etablissement Public pour l'Amenagernent de la Region de la Defense), Robert Lion
 

Bauzeit

1985 bis Juli 1989
 

Architekten

Johan Otto von Spreckelsen (1929-1987) und
Paul Andreu (*1938)
 

Baukosten

3.400.000.000 FF
 

Grande Arche

Die Ausschreibung für das internationale Kommunikationszentrum in La Defense beendete den vollständigen Ausbau dieses Pariser Neubauviertels. Die Grande Arche schließt
La Defense und ist gleichzeitig der würdige Endpunkt der historischen Königsachse - einer Achse, die vom Louvre und dem Arc du Carrousel über die Place de la Concorde und die Place Charles de Gaulle mit dem Arc de Triomphe quer durch La Defense bis zur Grande Arche verläuft.
 

Eine leere Bürostadt

Die Stadt Paris verbindet eine langjährige Haßliebe mit La Defense. Das Viertel liegt nur wenige Metrostationen vom Arc de Triomphe entfernt und entstand nach den Prinzipien der schon 1933 von Le Corbusier formulierten “Charta von Athen”. Dieses Dokument faßte die städtebaulichen Prinzipien funktionalistischer Architekten zusammen. La Defense war im Grunde nichts anderes als ein Bild, das Le Corbusier für ganz Paris vorschwebte: voneinander getrennte städtische Funktionen, Hochbauten mit viel Grün dazwischen und separate Wege für Fußgänger und Autofahrer. Sehr schnell stellte sich heraus, daß beim Bau von La Defense zwar viele Bürogebäude, aber keine Wohnsektoren entstanden. In weniger als 20 Jahren verdoppelte sich die ursprünglich geplanten 800.000 m² Bürofläche auf Kosten geplanter Apparternenthäuser. La Defense wurde zu einer Bürostadt, die jeden Abend ausstarb. Ein weiteres Problem stellte die unpersönliche Ausstrahlung der Wolkenkratzer dar. Dies galt vor allem für die Bauten der 70er Jahre, der sogenannten zweiten Generation. Sie waren größer und dominanter als die Hochhausbauten der 60er Jahre und gleichzeitig weniger individuell konzipiert als die Bauten der dritten Generation, die ein Jahr später entstanden. Folge: In La Defense standen riesige Büroflächen leer, obwohl es im Zentrum an Büroräumen mangelte.
 

Städte-
bauliches
Chaos

Offiziell war La Defense von Stadt und Staat unabhängig. 1958 hatte man zu diesem Zweck eine öffentliche Körperschaft ins Leben gerufen, die EPAD (L'Etablissement Public pour l'Amenagement de la Region de la Defence). Doch über mehr als
25 Jahre endeten alle Planungen für das Gelände im Chaos. 1958 entstand das Centre National des Industries et Techniques (CNIT) nach einem Entwurf von Zehrfuss, Camelot und Jean de Mailly. Diese Messehalle mit ihrem dreieckigen Dach besaß lange Zeit das größte Gewölbe der Welt. Die selben Architekten reichten 1958 und 1960 Pläne für ein Gebäude gegenüber dem CNIT auf der berühmten historischen Achse ein. Aber weder diese noch weitere Entwürfe kamen zur Ausführung. Erst 1970 wandte man sich an Ieoh Ming Pei. Er entwarf zwei Bürotürme, die zu beiden Seiten der Achse einander gegenüberstehen und durch einen parabolförmigen Block miteinander verbunden sind. Auf diese Weise erhielt die Achse einen optischen Endpunkt, ohne jedoch endgültig abgeschlossen zu sein (1971). Einige Jahre später legte Emile Aillaud einen Entwurf für zwei konkav gewölbte Bürogebäude vor, die den Abschluß der Achse bilden sollten. Zu dieser Zeit entstand auch der Ausdruck “La Tête Defense” (der Kopf von La Defense). Präsident Georges Pompidou entschied sich für eine Ausschreibung, weitere Pläne entstanden. Aillard veränderte seinen Entwurf dahingehend, daß die Büroblöcke von der
Place d'Etoile aus nicht sichtbar waren.
Aber wieder gerieten die Planungen ins Stocken - diesmal bis Ende der 70er Jahre. Eine Zeit lang schien es, als werde der Kampf um die Bebauung von La Tete Defense ausschließlich zwischen
Emile Aillaud und Jean Willerwal ausgetragen. Dabei besaß letzterer die besseren Chancen, da Aillaud nicht bei allen - insbesondere nicht beim Präsidenten - beliebt war. Am 28. Januar 1981 fiel die Wahl erwartungsgemäß auf Willerwal. Doch Bauminister Roger Quillot lehnte eine Umsetzung der Pläne ab.
 

Die
Viererbande

“Mitterrand köpft La Tête Défense”, lauteten die Schlagzeilen. Quilliot aber wollte, zusammen mit drei anderen Politikern, der französischen Architektur zu neuem Ruhm verhelfen. Diese “Viererbande” formierte sich 1981 und bestand neben Quillot aus Kultusminister Jack Lang,
Paul Guimard, einem Berater des Präsidenten, und Robert Lion, engster Vertrauter von Premierminister Mauroy. Lang sollte sich mit dem Bau der neuen Opéra beschäftigen und Lion die Planung des neuen, internationalen Kommunikationszentrums in La Défense übernehmen. Für beide Projekte schrieb man einen Architekturwettbewerb aus. Dabei erwies es sich zunächst als schwierig, die internationale Architektenwelt für eine Ausschreibung zu interessieren, die weniger vielversprechend zu sein schien als der Wettbewerb für die neue Oper. Dennoch kamen 424 Entwürfe, die die Jury in acht Tagen beurteilte. Den stärksten Einfluß auf die Entscheidung hatten Lion und Präsident Mitterrand. Nach einer ersten Vorauswahl prämierte die Jury den in Frankreich unbekannten Dänen
Johan Otto von Sprekelsen, der bis dahin nur in seinem Heimatland als Architekt anerkannt war, wo er einige Kirchen realisiert hatte. Noch nie war er mit einer so gewagten Konstruktion an die Öffentlichkeit getreten wie mit dem offenen Kubus für La Tête Défense. Übrigens zählte
von Sprekelsen zu den letzten, die von der Wahl erfuhren: Als die Entscheidung der Jury bekanntgegeben wurde, befand er sich auf einer dreitägigen Ferienreise in einem Dorf in Jütland, wo niemand den Bericht im Radio gehört hatte.
 

Ein dritter Triumphbogen

Von Spreckelsens Entwurf war ein würdiger Gewinner. Der offene Kubus, La Grande Arche, bildete eine monumentale Krönung der Königsachse, ohne diese endgültig abzuschließen. Neben dem Arc du Carrousel und dem Arc de Triomphe ergänzte von Spreckelsen diese Achse um einen dritten Triumphbogen, der allerdings wesentlich zeitgemäßer ausfiel als der Entwurf von Ricardo Bofill, der lediglich einen übergroßen Triumphbogen aus Glas und Stahl vorsah. Das postmoderne Projekt Bofills besaß nur wenig von der Eigenständigkeit, die der Kubus des Dänen ausstrahlte. Unmittelbar nachdem er das Ergebnis der Ausschreibung erfahren hatte, zog sich
von Spreckelsen für sechs Monate zurück, um die Konstruktion seines Entwurfs genauer auszuarbeiten. La Grande Arche ist ein nahezu perfekter hohler Würfel von 110 Metern Höhe und 106 Metern Breite. Der Hohlraum ist etwa 70 Meter breit und 90 Meter hoch, so daß die Kathedrale Notre Dame mühelos darin Platz finden würde. Sein Skelett besteht aus vier Megastrukturen, viereckigen Rahmen, die in einem Abstand von 21 Metern zueinander stehen. Quer dazu liegt auf der Oberseite des Würfels ein Gitter in Ost-West-Ausrichtung, das die Windströmungen ausgleichen soll. Das gesamte Gebäude ruht auf 12 im Untergeschoß verankerten Pfeilern, von denen jeder viermal das Gewicht des Eiffelturmes trägt. Da beim Bau Rücksicht auf bereits bestehende Verkehrswege im Untergrund genommen werden mußte, konnten die zwölf Pfeiler nicht genau in einer Linie zur Königsachse ausgerichtet werden. Von Spreckelsen löste dieses Problem sehr elegant: Er drehte La Grande Arche um sechs Grad und dreißig Minuten von der Achse weg und gab ihr damit genau denselben Winkel, in dem der
Cour Napoleon III des Louvre zur Königsachse steht. Deutlicher läßt sich der Respekt vor der Pariser Stadtgeschichte kaum bezeugen. Die Wände des Quaders sind mit Glas und weißem Carrara Marmor verkleidet. Um die harten Formen des Kubus ein wenig abzuschwächen, entwarf von Spreckelsen inmitten des Würfels das Zeltdach
Le Nuage (die Wolke). Für die technische Durchführung zeichnete der Engländer Peter Rice verantwortlich, der auch schon beim Bau der
Cité des Sciences et de l'Industrie mitgewirkt hatte. Für die technische Leitung beim Bau des Kubus konnte von Spreckelsen Paul Andreu, den Architekten des Aeroports de Paris, gewinnen. Die glatten, glänzenden Außenwände der Grande Arche symbolisieren einen Mikrochip mit offenliegenden Schaltkreisen. Eine derartige Symbolik entsprach ganz den Vorstellungen von Spreckelsens, der die Grande Arche als Fenster zur Welt sah, als einen Blick in die Zukunft und ein Sinnbild der Hoffnung auf ein friedliches Miteinander. Sehr zum Ärger des dänischen Architekten wurde jedoch im April 1986, kaum ein Jahr nach Baubeginn, die Idee eines internationalen Kommunikationszentrums fallengelassen. La Grande Arche sollte eine neue Bestimmung erhalten. Diese Entscheidung und ständige Meinungsverschiedenheiten über Fragen der Konstruktion veranlaßten von Spreckelsen, im August 1986 um seine Entlassung zu bitten und die Fertigstellung der Arbeiten Paul Andreu zu überlassen. Der Däne starb im März des folgenden Jahres.
 

Die übrigen Entwürfe

Von Spreckelsens Bauwerk wurde soweit wie möglich nach den ursprünglichen Plänen fertiggestellt. Dies galt jedoch nicht für das umliegende Gelände, “Les Collines” genannt. Hierfür entwarf Jean-Pierre Buffi völlig neue Pläne. Ein weiterer Wettbewerb präsentierte 1987, im Jahr der Bauabnahme der Grande Arche, den Architekten Jean Nouvel (1945) als Gewinner: Er hatte für das Gelände einen spektakulren gläsernen Turm entworfen. Dieser Preis stellte für Nouvel, der mit seinem Vorschlag für "La Tête Défense " 1983 nur einen dritten Preis gewonnen hatte, eine Art ausgleichender Gerechtigkeit dar. Damals hatte sich Nouvel für den vermeintlich goldenen Mittelweg entschieden: Zwar plazierte er den Block mitten auf die Achse, ließ aber nur die Seiten des Gebäudes geschlossen. während der Mittelteil eine offene Struktur besaß. Mit dieser Konzeption unterschieden sich die Entwürfe Nouvels, von Spreckelsens sowie Stanislas Fiszers und Witold Zandfos von denen aller anderen Preisträger. Die übrigen Gewinner sahen La Tête Défense hauptsächlich als Endpunkt der historischen Königsachse. Keines der erwähnten Projekte kann La Grande Arche das Wasser reichen. In ihrer Schlichtheit zählt sie zu den bemerkenswertesten Bauwerken von Paris. Nicht zuletzt dank ihrer kunstvoll gestalteten Umgebung hat sie sich mehr und mehr zu einer Touristenattraktion der französischen Hauptstadt entwickelt. Verschiedene Institutionen haben inzwischen Teile des Gebäudes bezogen. Nur die Aufzüge und das Dachgeschoß befinden sich noch in Händen des Staates. Hier hat die “Fondation International des Droits de l'Homme ei des Sciences Humaines” (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte und Humanwissenschaften) ihre Büroräume - eine Ansiedlung, die ganz im Sinne von Spreckelsens gewesen wäre.
 

 

Inhalte sind zum Teil Zitate aus:
Architectual Competitions 1950-Today
(C) 1994 by Benedikt Taschen Verlag